Auch Projektportfolios wollen gesteuert werden

Projektportfoliomanagement ist gemäss IPMA (vgl. swiss.ICB4, Portfoliomanagement, Seite 27)  wie folgt definiert „Ein Portfolio besteht aus Projekten und/oder Programmen, die nicht zwingend miteinander in Beziehung stehen, jedoch zusammengeführt werden, um die Ressourcen der Organisation optimal zu nutzen und die strategischen Ziele der Organisation bei gleichzeitiger Minimierung des Portfolio-Risikos zu erreichen.». Die Aufgabe des Projektportfoliomanagements ist es folglich die drei zentralen Einflussfaktoren Ressourcenbedarf, strategische Zielsetzungen und Risikominimierung gegeneinander auszubalancieren. Für alle Organisationen mit unbegrenzten Ressourcen und ungezügelter Risikobereitschaft ist Projektportfoliomanagement damit entbehrlich. In diesem Fall werden einfach alle Projektideen umgesetzt. Alle anderen Organisationen betreiben Projektportfoliomanagement, bewusst oder unbewusst. Und wer Portfoliomanagement betreibt, sollte sich auch dazu Gedanken machen, welche Steuerungselemente dafür geeignet sind, also wie sich die Governance dafür gestaltet. Kritische Leser:innen werden an dieser Stelle einwerfen, dass Projektportfoliomanagement auch alle Aspekte der Steuerung eines Portfolios umfasst. Die Praxis zeigt allerdings, dass in vielen Fällen nur die Abwicklung und Berichterstattung Bestandteil des Projektportfoliomanagements sind.

Eine spontane, opportunistisch und informelle Projektgenehmigung durch den Vorstand oder die Geschäftsleitung mag zwar vordergründig den Eindruck entstehen lassen, dass es kein Projektportfoliomanagement gäbe. Aber natürlich bilden sich gewisse Regeln heraus. Ressourcenanforderungen sind dafür ein gutes Beispiel. Wenn es diesbezüglich keine Abstimmung oder Governance gibt, dann wird meist das Projekt mit Ressourcen ausgestattet, dessen Projektleiter:in am lautesten danach schreit. Die (ungeschriebene) Regel dahinter ist klar. In Konsequenz entwickelt sich ein Unternehmen in die Richtung weiter, in der die durchsetzungsstärksten Auftraggeber:innen und Projektleiter:innen hinstreben. Denn mit den meisten Ressourcen kann man (häufig) auch am meisten bewegen. Projektportfoliomanagement findet also statt, auch wenn es keine (dokumentierte) Governance gibt. Eine Bank ohne Portfolio-Governance und mit ihren stärksten Protagonisten im Kreditbereich wird sich also schwer damit tun sich im Anlagebereich weiterzuentwickeln.

Die Etablierung einer Governance tut also Not, wenn ein Unternehmen nicht zulassen will, dass seine Projekte bzw. das Projektportfolio unkontrolliert das Unternehmen verändern. Allgemein anerkannte Prinzipien einer Governance sind Fairness, Accountability, Responsibility und Transparency (vgl. Wikipedia, Governance). Bestandteile einer Governance sind also Organisationsstrukturen (Rollen und Gremien inkl. ihrer Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten), Prozesse (zur Genehmigung, zur Eskalation, etc.), Richtlinien (für die Kostenübernahme, für die Bewertung) usw. Und nicht zu vergessen, es muss natürlich auch fixiert werden, wie ein Projekt definiert ist. Die inhaltliche Ausrichtung eines Projektportfolios, d.h. die Inhalte der Projekte, welche in Summe das Portfolio bilden, findet streng genommen keinen Eingang in die Governance. Eine Abhängigkeit gibt es aber natürlich trotzdem. Die Maximierung eines Business Values ist die wichtigste Motivation für die gezielte Steuerung eines Projektportfolios. Folglich müssen auch die Steuerungselemente der Governance dazu geeignet sein diese Zielsetzung zu unterstützen.

In einem grossen Unternehmen mit losen gekoppelten Geschäftsbereichen wird vielleicht auch jeder Geschäftsbereich seine eigene Governance zur Anwendung bringen. In kleineren Unternehmen wird die Governance eventuell vollständig durch ein Project Management Office oder die Geschäftsleitung selbst wahrgenommen.  Oder wenn die Projekte eines Unternehmens eher in aufwändige Infrastruktur investieren, dann sind auch potenzielle Veränderungen eher träge und eine strukturierte Steuerung des Portfolios bleibt auch bei längeren Zyklen gewahrt. Eine Governance wiederum, welche im Semesterrhythmus getaktet ist, wird wohl kaum dazu geeignet sein, in einem Unternehmen, das seine Umsätze im schnelllebigen Internet erlöst, die gewünschte Wirkung zu entfalten. Für die Erstellung einer für eine Organisation geeignete Governance wollen also zahlreiche Parameter hinterfragt und ggf. berücksichtigt werden: Unternehmensgrösse, Vielfalt der Geschäftstätigkeit, territoriale Präsenz, etc. Für die Ausgestaltung einer Governance gibt es folglich kein Patentrezept nach dem Motto «One size fits all.».

Wir müssen uns also dessen bewusst sein: Wo Projekte gemacht werden, findet auch Projektportfoliomanagement statt. Und wenn das Projektportfolio nicht bewusst und zielgerichtet gesteuert wird, dann entwickelt sich unsere Organisation unbewusst und unkontrolliert weiter. Wer also Wert darauf legt, dass Projekte gezielt zum Unternehmenserfolg beitragen, dem sei dringend empfohlen ein Projektportfoliomanagement mit geeigneten Steuerungsmechanismen zu installieren. Herausfordernd wird dann noch sein, alle weiteren Beteiligten auf die Prinzipien dieser Governance zu verpflichten. Denn diese Verpflichtung nötigt allen auch einen Verzicht ab, nämlich den Verzicht auf Alleingänge bei der Projektinitiierung und -umsetzung.