Effektives Risikomanagement in Projekten – Vier einfache Indikatoren für Mitglieder in Steuerungsausschüssen
- Harald Bader's Blog
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Risikomanagement gehört seit Jahren zum etablierten Werkzeugkasten des Projektmanagements. Prozesse, Reifegrade, Visualisierungen und Methoden zur Risikoidentifikation sind ausgiebig dokumentiert. Doch trotz dieser Standardisierung bleibt eine Herausforderung bestehen: die inhaltliche Qualität der Risiken selbst. Zu häufig werden Risiken zu oberflächlich formuliert und sollen mit Allerweltsmassnahmen entschärft werden. Damit droht das Risikomanagement als Alibiübung zu enden.
Dabei gibt es einige einfache Indikatoren, mit denen Mitglieder von Steuerungsausschüssen die tatsächliche Effektivität des Risikomanagements im Projekt überprüfen können. Wie diese Indikatoren wirken und was sie in der Praxis sichtbar machen, erläutert dieser Blogartikel anhand eines konkreten Beispiels.
Wirksame Massnahmen erfordern granulare Risiken
Angenommen im Risikoregister findet sich der Eintrag „Zulieferungen könnten in Verzug geraten“. Auf den ersten Blick wirkt dies als plausibles Risiko. Insbesondere in Projekten mit mehreren externen Partnern ist der Detaillierungsgrad aber offensichtlich zu allgemein und zu pauschal für ein wirksames Risikomanagement. Während bei dem einen Partner eher die Termintreue Anlass zur Sorge bereiten könnte, ist es bei einem anderen Partner vielleicht eher die Qualität der Lieferung. Zudem liefern die meisten Partner (hoffentlich) pünktlich und in der erwarteten Qualität.
Sinnvolle und wirksame Massnahmen lassen sich für ein Risiko also erst dann identifizieren, wenn dieses auf eine angemessene Granularität heruntergebrochen wurde. Man muss sich fragen: Welche Zulieferer könnten womit in Verzug geraten? Wie lange könnte der Verzug dauern? Welche Reserven in welchem Umfang werden für Umgehungslösungen beansprucht? Nur die Zerlegung des generischen Risikos in konkrete Teilrisiken erlaubt die Identifikation spezifischer, wirksamer Massnahmen. Ohne diese Präzisierung bleibt der Eintrag im Risikoregister ein abstrakter Hinweis, aber einen Beitrag zur Projektsteuerung leistet er nicht.
Das Risikoregister als Projektmanagement-Checkliste?
Die naheliegende Reaktion auf das oben genannte Risiko wäre die Umsetzung einer Massnahme „Einführung eines Zulieferermanagements“. Doch hier lauert eine weitere Falle. In einem Projekt mit einer anspruchsvollen Lieferantensituation ist ein dediziertes Zulieferermanagement keine risikominimierende Massnahme, sondern eine Pflichtaufgabe in der Projektleitung. Schliesslich hat jedes Projekt Vorgänge, welche eine erhöhte Aufmerksamkeit durch die Projektleitung erfordern. Eine professionelle Projektleiterin bzw. ein professioneller Projektleiter wird die Schwerpunkte ihrer bzw. seiner Projektmanagementtätigkeit entsprechend setzen. Die Ernennung einer Lieferantenmanagerin oder eines -managers stellt daher keine substanzielle risikoreduzierende Massnahme dar, sie ist schlicht und ergreifend Projektmanagement nach anerkanntem Standard.
Es bleibt am Ende unklar, welchen Zweck oder Nutzen die Aufnahme eines «Risikos» in das Risikoregister verfolgt, das sich mit Standardtätigkeiten des Projektmanagements mitigieren lässt. Projektmanagement ist per se eine risikoreduzierende Disziplin, deren Aufgabe es ist den Projekterfolg nicht dem Zufall zu überlassen. Unter diesem Grundgedanken könnten im Grunde sämtliche Aspekte des Projektmanagements als Risiken ins Register aufgenommen werden, was den Mehrwert eines Risikoregisters jedoch massiv verwässert.
Projektmitarbeitende als Risiko?
Eventuell verbirgt sich hinter einem solchen Eintrag in das Risikoregister ein unausgesprochenes Problem: mangelndes Vertrauen in die Kompetenz einzelner Personen. Man traut also der ernannten Zulieferermanagerin oder dem ernannten Zulieferermanager nicht zu, die Herausforderungen im Zulieferermanagement angemessen zu bewältigen. Die Person selbst wird somit – unausgesprochen – als Risiko betrachtet.
Personalbesetzungen im Projekt sind nicht selten ein Kompromiss aus Eignung und Verfügbarkeit. Eine professionelle Projektleitung ist sich dieser Realität bewusst und wird einerseits die Projektorganisation an den tatsächlichen verfügbaren Ressourcen ausrichten und andererseits Massnahmen zur Personalentwicklung ins Spiel bringen. Insbesondere letzteres geschieht als Führungsaufgabe und nicht im Rahmen des Risikomanagements. Zudem ist es dem Teamgeist keinesfalls zuträglich, wenn Fragen der Personalbesetzung verklausuliert über das Risikoregister diskutiert werden. Eine solche Praxis untergräbt Vertrauen, schafft Unsicherheit und verkennt den eigentlichen Zweck des Risikomanagements.
Das Projekt als Glücksspiel?
Nun haben wir die herausfordernde Situation mit den Zulieferern im Projekt erkannt, eine engagierte und kompetente Zulieferermanagerin gefunden und spezifische Mitigationsmassnahmen für die kritischen Zulieferer vereinbart. Und trotzdem verweilt dieses Risiko über einen langen Zeitraum im roten Bereich, also im Bereich, der eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit mit gleichzeitig hohem Schadenspotenzial signalisiert.
Für diese Situation kommen aus meiner Sicht nur zwei Gründe in Frage. Entweder wirken die mitigierenden Massnahmen einfach nicht. Oder das Risiko wird dramatisiert. Im Fall der Dramatisierung findet man häufig gleich zahlreiche Risiken, welche sich dauerhaft im roten Bereich einnisten. Beide Ursachen - fehlende Wirksamkeit und Dramatisierung - sind eindeutige Indikatoren für ein ineffektives Risikomanagement. Falls beide Ursachen ausgeschlossen werden können, sollte ernsthaft über einen Projektabbruch nachgedacht werden. Dann entscheidet eher das Glück über den Projekterfolg als die Kompetenz im Projekt- und Risikomanagement.
Der Lackmustest für Risiken
Den Mitgliedern eines Steuerungsausschusses liegt naturgemäss daran, dass alle Einflussfaktoren, welche den Projekterfolg gefährden, bestmöglich eliminiert oder zumindest minimiert werden. Für das Risikomanagement bedeutet das, dass die risikoreduzierenden Massnahmen effektiv wirken müssen. Das wiederum setzt voraus, dass die Projektrisiken auch bestmöglich erfasst werden. Dafür hat der Artikel klare Indikatoren aufgezeigt. Bei folgenden Anzeichen ist also besondere Skepsis angebracht:
- Risiken sind zu allgemein formuliert. Die Beschreibungen bleiben vage und umfassen zu viele unterschiedliche Eintretensszenarien.
- Standardprojektmanagementaufgaben werden zur Risikomitigation herangezogen. Der eigentliche Kern der Risiken bleibt verborgen.
- Einzelne Personen werden direkt oder indirekt als Risiko identifiziert. Die Projektleitung lenkt damit von notwendigen Führungsaufgaben ab, statt wirksam zu handeln.
- Es hat zu viele Risiken zu lange im roten Bereich. Das Risikomanagement bindet unnötig Ressourcen und verliert seine Präventionsfunktion.
Fazit
Vier einfache Indikatoren reichen aus, um das Risikomanagement in einem Projekt einem Fitness-Check zu unterziehen. Das ist nicht nur effektiv, sondern effizient zugleich.