Wanted: Kompetente Auftraggeber
- Christian Rudischer's Blog
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Erfolg – so heißt es – hat viele Väter. Bei Projekten denkt man wohl zuallererst an die Projektmanager_innen und ihre Teams, mitunter tragen auch Lieferanten wesentlich zum Projekterfolg bei. Dementsprechend legen viele Organisationen Wert auf die Ausbildung (und oft auch Zertifizierung) ihrer Projektmanager_innen und den Nachweis von PM-Kompetenz bei Geschäftspartnern. Weit weniger Beachtung findet in der Praxis hingegen eine andere Rolle, nämlich Projektauftraggeber_innen.
Dabei belegen Studien immer wieder den großen Einfluss, den sie auf den Projekterfolg haben. Nur zwei Beispiele: In den CHAOS-Reports der Standish Group, einer seit 25 Jahren laufenden Langzeitstudie, die schon über 40.000 IT-Projekte auf Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren hin untersucht hat, führen Jahr für Jahr zwei Faktoren praktisch ex aequo die Liste an: Executive Sponsorship und Emotional Maturity (des Umfelds). In einer Studie der HS Koblenz zu Erfolgsfaktoren im Projektmanagement (2015) wurde Steuerung und Entscheidung in der subjektiven Einschätzung der befragten Experten als zweitwichtigster (nach Teamwork) Erfolgs- und wichtigster Misserfolgsfaktor genannt. Die parallel durchgeführte evidenzbasierte Analyse ergab, dass zwei der drei Faktoren mit der höchsten Effektstärke (auch) Projektauftraggeber_innen wesentlich betreffen, nämlich Rollen & Kompetenzen definieren und Entscheidungen zeitnah treffen.
Was also können Projektauftraggeber_innen für den Projekterfolg tun?
Zu allererst: Klare Projektziele vorgeben (also beschreiben, welche Veränderungen und welche neuen Möglichkeiten durch ein Projekt herbeigeführt werden sollen) und die dafür erforderlichen Ressourcen (Budget, Personal, Zeit, aber auch eigene Aufmerksamkeit) bereitstellen. Neuartigkeit und Risiko von Projekten bringen es mit sich, dass während der Projektlaufzeit immer wieder Fragen auftreten und Entscheidungen zu treffen sind, die den Spielraum des Projektteams überschreiten. Diese Fragen rasch entweder selbst zu entscheiden oder für Entscheidungen an geeigneter Stelle innerhalb der Organisation zu sorgen, ist eine Schlüsselfunktion von Projektauftraggeber_innen. Auch bei der Gestaltung von Stakeholderbeziehungen können sich Projektauftraggeber_innen oft effektiver einbringen, als das den Mitgliedern des Projektteams möglich ist. Schließlich verstehen sich gute Projektauftraggeber_innen auch als (temporäre) Führungskraft der Projektmanager_innen und nehmen diese Führungsaufgabe aktiv wahr, indem sie Feedback geben, bei Bedarf (und nur dann!) unterstützen, vor allem aber greifbar sind, wenn sie benötigt werden.
Doch die Verantwortung von Projektauftraggeber_innen beginnt und endet nicht mit dem jeweiligen Projekt.
Gute Projektmanager_innen können mit der Unterstützung ihrer Teams, Auftraggeber und des Linienmanagements erfolgreiche Projekte abliefern. Aber die Projektauftraggeber_innen haben es in der Hand, ein erfolgreiches Projekt in einen Erfolg für die Organisation zu verwandeln. Wesentliche Beiträge dazu finden vor bzw nach dem Projekt statt: Vorher geht es darum, nur solche Projekte zu beauftragen, die der Umsetzung der Unternehmensstrategie dienen, und sicherzustellen, dass sie realistischerweise auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen umsetzbar sind und für die Organisation einen Nutzen entfalten können. Nachher geht es darum, die neuen Möglichkeiten, die ein Projekt eröffnet hat, auch zu nutzen und dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse des Projekts tatsächlich wie gewünscht eingesetzt werden. Ich habe vor einiger Zeit selbst an einer Studie mitgewirkt, bei der Topmanager_innen unter anderem nach ihren Erwartungen an gute Projektauftraggeber_innen gefragt wurden. Bemerkenswerterweise wurden diese beiden Aufgaben (strategic alignment und benefit realization management), die Projektauftraggeber_innen nicht für das Projekt, sondern für die eigene Organisation erfüllen, auch vom Topmanagement überhaupt nicht adressiert.
Organisationen, die bisher viel in die Qualifikation von Projektmanager_innen investiert haben, können also den Erfolg ihrer Projekte und den Gesamterfolg der Organisation am besten dadurch steigern, dass sie im nächsten Schritt vermehrt auf die Qualifikation und passende Auswahl von Projektauftraggeber_innen achten.
Eine leicht gekürzte Fassung dieses Artikels ist am 15.08.2019 im Blog von Projekt Management Austria erschienen.