PMO als Governance Ersatz?
- Gerhard Ortner's Blog
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Kann ein PMO als Ersatz für die Projekt-Governance-Verantwortung des Managements dienen? Als gelernter Österreicher würde ich adhoc mit einem „es kommt drauf an“ antworten, aber man muss diese Thematik natürlich differenzierter betrachten und analysieren.
Zunächst muss geklärt werden, was im konkreten betrieblichen Kontext eigentlich wirklich unter einem Projektmanagement-Office verstanden wird. Schon hier gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, Definitionen und praktische Beispiele (z.B. Ortner/Stur 2019). Vor allem können PMOs auf recht unterschiedliche Art und Weise in die Organisationsstruktur eines Unternehmens eingegliedert werden. Oft hat das auch mit den konkreten Aufgabenstellungen zu tun, die einem PMO überantwortet werden sollen. In der Literatur (z.B. Crawford) wird oft von einem Level 1, 2 oder 3 PMO gesprochen, abhängig davon auf welcher Hierarchieebene der Organisation (Projekt-, Abteilung-, Unternehmensebene) das PMO eingegliedert ist. Dabei kommen Level 3 PMOs sehr viele Aufgaben aus dem Governance-Bereich zu. Wenn PMOs nach Aufgabenbereichen differenziert werden sollen, finden sich in der Literatur die Kategorien supportive, controlling, und direktive PMOs, die teilweise sehr unterschiedliche aber auch überlappende Aufgabengebiete zugesprochen bekommen. Directive PMOs, die üblicherweise sehr hoch in der Hierarchie einer Organisation – also z.B. als Stabsstelle einer Geschäftsführung – angesiedelt sind, werden dabei meist mit vielen Aufgaben betraut, die Governance-Themen betreffen, da ihnen steuernde Aufgaben zugebilligt werden.
Es zeigt sich, dass sich vor allem PMOs, die „nahe“ an der Geschäftsführung angesiedelt sind (Level 2 oder 3), recht intensiv mit Governance-Themen beschäftigen (müssen). In vielen Fällen entstehen diese PMOs aufgrund von Defiziten, die mit dem Steuern der Projekte bzw. der Projektlandschaft zu tun haben. Das Management erkennt, dass es die Übersicht über die Projekte verliert, das Projekte zu oft scheitern oder schlecht performen. Meist werden zuerst Defizite im Projektmanagement vermuten – was auch durchaus zutreffen kann. Diese Defizite sollen PMOs beheben. Defizite im Umgang mit Governance-Problemen werden aber weniger oft durch das Management selbst erkannt (man könnte hier Betriebsblindheit vermuten). Hier können dann aber etablierte PMOs einerseits Aufklärungsarbeit leisten und damit auch Verbesserungen wie z.B. bessere Strukturen, klare Abläufe und Verantwortlichkeiten, aber auch mehr Know-how für das Management selbst, herbeiführen. Auch kann das Top Management bestimmte Governance-Aufgaben – aber sicher nicht die komplette Verantwortung – in ein PMO hineindelegieren. So ein Empowerment sollte bewusst und klar geregelt von statten gehen. Das PMO kann dann zum Beispiel ein fixes Mitglied in Projekt-Lenkungsausschüssen stellen bestimmte Aufgaben innerhalb des Portfoliomanagements wahrnehmen, die Auswahl geeigneter Projektleiter:innen gemeinsam mit den Auftragegeber:innen vornehmen, Kriseninterventionen betreiben, Ansprechpartner und Eskalationsinstanz der Projektleiter:innen für Probleme sein, u.a.m.
Damit kann ein PMO die Managementebene(n) in einigen Governance-Bereichen spürbar entlasten und unterstützen. Die gesamte Verantwortung lässt sich aber nicht so leicht in eine PMO „abschieben“. Gerade Themenbereiche wie zum Beispiel das Strategie-Alignment oder größere Investitionsentscheidungen in Projekten oder Programmen (Business Cases!), die in die Kernkompetenz von Führungskräften gehören, müssen auch von diesen verantwortet und v.a. „gelebt“ werden. Bereiche in denen Managementpositionen eine wichtige Vorbildwirkung haben, können nicht wirklich an PMOs ausgelagert werden. Hinter Entscheidungen zu stehen, wichtige Projekte zu fördern und zu unterstützen und eine klare und transparente Entscheidungsfindung zu betreiben sind Aufgaben, die Manager:innen nicht wegdelegieren können. Die Verlagerung aller Governace-Verantwortung in ein PMO würde sonst das Wegrationalisieren des Top-Managements bedeuten – das Einsparungspotential wäre dabei natürlich mitunter gewaltig 😉.
Referenzen:
- Ortner Gerhard /Stur Betina (2019), Das Projektmanagement-Office – Einführung und Nutzen, Springer Gabler; 3., überarb. Aufl., ISBN: 978-3662594858
- Crawford Kent (2002): The strategic project office: A guide to improve organisational performance, CRC Press, ISBN: 978-0824707507