Governance agiler Projekte – How to…
- Dorothee Feldmüller's Blog
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Projekte werden zunehmend agil durchgeführt, oder mit agilen Anteilen, ein sogenanntes „hybrides“ Vorgehen wird in vielen Organisationen gewählt. Für jedes Projekt ist bewusst gestaltete und gelebte Projektsteuerung durch die Führungskräfte einer Organisation – Projekt Governance - ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Projektarbeit. Bei zunehmend agilen Ansätzen unterschiedlicher Ausprägung in der Projektarbeit muss auch die Projekt Governance „agil transformiert“ werden – aber wie?
Es ist nicht eindeutig, was mit agilem Vorgehen im Projekt gemeint ist, in der Praxis ist es bei genauem Hinsehen oft ein hybrides oder ein selektives Vorgehen. Dabei ist mit hybridem Vorgehen eine Mischung von agilen und traditionell plangesteuerten Ansätzen in einem Projekt gemeint, mit selektivem Vorgehen eine gezielte Auswahl entweder agiler oder plangesteuerter („klassischer“) Methoden für ein spezifisches Projekt. Die Auswahl des geeigneten Ansatzes und insbesondere die Koordination gleichzeitig vorhandener verschieden agiler Ansätze ist eine aktuelle und relevante Herausforderung. Der Anspruch, einen Mehrwert durch Projektarbeit zu schaffen, ist allen Ansätzen gemeinsam. Ob und welche Anforderungen wann umgesetzt werden, und auf welcher Ebene darüber entschieden wird, darin unterscheiden diese sich stark.
Unterscheidung agiler Ansätze
Als ersten Schritt zu unseren Überlegungen zu agiler Projekt Governance unterscheiden wir unterschiedliche Ausprägungen von agilem Vorgehen in Projekten wie folgt:
- (Rein) Plangesteuertes Vorgehen (auch oft als „klassisch“ oder „traditionell“ bezeichnet): Die Projektdurchführung erfolgt nach sorgfältiger Planung des gesamten Projektablaufs.
- Hybrider Ansatz: Ein plangesteuertes Vorgehen auf der Makro-Ebene, d.h. bei der Phasen-Modellierung des gesamten Projektablaufs, wird gemischt mit agilen Praktiken wie Daily oder Sprints auf der Mikro-Ebene, in der Regel in einer oder mehreren Projektphasen, oft bei der Durchführung, aber auch bei Anforderungserhebung oder Konzeptarbeit.
- Hybride Projektorganisation: Ein plangesteuertes Vorgehen auf der Makro-Ebene wird gemischt mit agilen Praktiken und agilen Rollen wie Product Owner, Scrum Master und Development Team, oft in der Durchführungsphase. Der Unterschied zu der vorhergehenden Kategorie besteht darin, dass agile Rollen in der Projektorganisation genutzt werden.
- (Rein) Agile Projektorganisation: Ein Projekt wird rein nach einer agilen Methodik durchgeführt, prominentestes Vorgehensmodell dabei ist heute Scrum.
- Agil im Großen: Die Arbeit in der Entwicklung von Produkten oder Prozessen einschließlich des Portfolio-Management erfolgt projektübergreifend bzw. „ohne Projekte“ agil nach einem skalierten agilen Modell (wie z.B. SAFe), daneben gibt es in der Regel Projekte für andere temporäre Vorhaben.
How to … Transformation der Governance eines einzelnen Projekts
Ein „Einmischen“ von einigen agilen Praktiken in ein traditionelles Arbeiten – von uns hier als hybrider Ansatz beschrieben - erfordert keine wesentlichen Anpassungen in der Projekt Governance und kann damit in traditionellen Strukturen leicht als ein erster Schritt in agiles Arbeiten umgesetzt werden. Wenn agile Rollen in der Projektorganisation gelebt werden sollen, dann ist die Projekt Governance anzupassen. Dabei geht es nicht nur um neue Rollen, sondern ebenso um den Erwerb von Kompetenzen von allen Beteiligten, auch von den steuernden Führungskräften. Agile Rollen und Prozesse erfordern nicht nur ein Wissen darüber, sondern auch Verstehen, Wollen, Engagement auf allen Ebenen.
Wichtige Unterschiede in den Rollen lassen sich wie folgt darstellen:
Das PM²-Modell der EU Kommission zeigt sehr prägnant die verschiedenen Ebenen in der Projekt Governance für eine plangesteuerte Durchführung, gerade für komplexe große Projekte. In der Praxis findet man diese Ebenen nicht immer alle explizit ausgeprägt, sinngemäß sind sie immer da. Auch für den hybriden Ansatz sind sie passend.
Sollen im Projekt agile Rollen ausgeprägt werden, ergibt sich folgendes Bild:
Bei einer rein agilen Projektorganisation gibt es keine Projektleitung und kein Business Management mehr. Diese gehen in die auf Augenhöhe miteinander arbeitenden Rollen von Product Owner, Scrum Master und Developer Team über – bezogen auf das verbreitete Framework Scrum. Die Definition von Projekten bei einer agilen Projektorganisation mündet in den gleichen Überbau wie im plangesteuerten Ansatz: ein Auftraggeber und Auftragnehmer für das Projekt, ein Lenkungsausschuss, die ihrerseits als übergeordnete Kontroll-Instanz eine Geschäftsleitung oder von ihr beauftragte Gremien zur übergeordneten Steuerung der Projekte über sich wissen.
Bei einem skalierten agilen Modell wie etwa SAFe kommen komplett neue Rollen ins Spiel, bei SAFe etwa wird ein Business Owner, ein Product Manager und ein Release Train Engineer mit ganz anderem Verantwortungsbereich definiert.
Auch in den Aufgaben, Befugnissen und Verantwortlichkeiten ergeben sich mit Übergang zu einer agilen Projektorganisation bzw. bei rein agilem Vorgehen deutliche Verschiebungen: Beim plangesteuerten Ansatz ist der Auftraggeber verantwortlich, den Mehrwert zu definieren, der im Projekt erarbeitet werden soll. Mit dem iterativen Vorgehen im Projekt und der Integration eines Product Owner in die Projektorganisation, der den Mehrwert verantwortet, wird der Projekt-Erfolg viel stärker in den Projektablauf integriert betrachtet. Die Herausforderung kann sein, dies auch wirklich umzusetzen und die Selbstorganisation des Scrum Team zu respektieren. Dafür braucht es auf Seiten der Steuerungsebene Kompetenzen im agilen Vorgehen. Von allen Beteiligten wird mehr Nutzenorientierung verlangt, das Team benötigt mehr Spielraum, und es muss gerade bei dynamischen Anforderungen – dynamischem Mehrwert und weniger klar umrissenem Endergebnis - auch mehr Interaktion mit der Steuerungsebene geben. Dies kann für diese durchaus herausfordernde Veränderungen im Selbstverständnis als Führungskraft bedeuten.
How to … Transformation der Projekt Portfolio Governance
Die agile Portfolio-Steuerung birgt weitere Herausforderungen. Traditionelle Portfolio-Management-Ansätze wählen Projekte nach der Strategie-Passung und langfristig im Voraus bestimmtem Mehrwert aus. Das ist möglicherweise nicht agil genug, um mit schnellen Veränderungen und unvorhergesehenen Risiken Schritt zu halten. Es gilt Wege zu finden zur transparenten Visualisierung und Verfolgung des Portfolios und zu mehr Flexibilität im Portfolio. Sich ergebende Chancen auf Mehrwerte und Wettbewerbsvorteile müssen kurzfristig geprüft werden können und bei Bedarf auch zu Ungunsten laufender Projekte aufgegriffen und umgesetzt werden. Dabei geht es in etwa um Folgendes:
- Häufigkeit der Prüfung von neu sich ergebenden Business Chancen und deren Potentialen;
- Möglichkeiten, aufgrund vorhandener Budget-Puffer Chancen kurzfristig aufzugreifen;
- Dauer der Entscheidungsfindung für Änderungen am Projekt-Portfolio;
- Review und Retrospektive des Prozesses der Portfolio-Steuerung, einschließlich des Aufwandes für das „Front End Loading“ im Projekt Portfolio Management.
Die Transformation der Projekt Governance betrifft große Teile einer Organisation und ist demnach ein komplexes und eher langwieriges Vorhaben. Wie weit die Organisationen damit sind, darüber ist nicht viel bekannt – die Ergebnisse einer ersten Studie der D-A-CH-Fachgruppe, in der wir die oben vorgestellten Überlegungen entwickelt haben, wollen wir demnächst hier vorstellen. An dieser Stelle sei allen Fachgruppen-Mitgliedern, die an der Diskussion mitgewirkt haben, ein herzlicher Dank ausgesprochen.