Too cool for school … oder wie entwickelt man kompetente Projekt-Auftraggebende und Steering Committee-Mitglieder
- Dorothee Feldmüller's Blog
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Für erfolgreiche Projektarbeit sind kompetente Projekt-Auftraggebende und Entscheidungsträger, die die besonderen Herausforderungen der Projektarbeit kennen und respektieren, ein wichtiger Erfolgsfaktor. Verschiedene Studien weisen darauf hin, unter anderem die regelmäßig durchgeführten CHAOS-Studien der Standish Group oder die Studie von Komus und Heupel zu Erfolgsfaktoren im Projektmanagement. Organisiert sind wichtige Entscheidungsträger im Projekt in vielen Fällen in einem für ein Projekt eingerichteten Entscheidungsgremium, das als Projekt-Lenkungsausschuss, Steuerungsausschuss oder Steering Committee bezeichnet wird.
Was zeichnet effektive Projekt-Entscheidungsträger aus? Projekte sind so unterschiedlich wie die Führungskräfte, die sie initiieren und steuern, der Führungsstil der Entscheidungsträger kann sehr unterschiedlich sein, ihre jeweiligen Vorkenntnisse und Erfahrungen, sowie die Herausforderungen, denen das Projekt begegnet ebenso. Eine allgemeine Empfehlung könnte lauten: „Begleite das Projekt in einer Weise, die deinem individuellen Stil entspricht“. „Sei ein Kapitän-Typ“ bringt die Standish Group es in ihren Analysen auf den Punkt, und bietet auch an, die Auftraggeber-Qualitäten einer Führungskraft vertraulich zu evaluieren.
Das Bild des Kapitäns hat sicherlich eine positive Strahlkraft: Es beschreibt eine Person, die vorausschauend und verantwortungsbewusst handelt, die sich bei normaler Fahrt nicht unnötig einmischt und im schlimmsten Fall als letzte das Schiff verlässt. Was bedeutet raue See in der Projektarbeit bzw.
Auf was gilt es als Führungskraft in der Projektsteuerung zu achten?
Projekte sollen festgelegte Ziele mit begrenzten Ressourcen in bestimmter Zeit erreichen. Änderungen der Ziele und Anforderungen sind in der heutigen dynamischen Welt nicht unwahrscheinlich, die agilen Vorgehensweisen im Projektmanagement versuchen diesem Tatbestand explizit Rechnung zu tragen. Bei konstanten Anforderungen lässt sich die interdisziplinäre und komplexe Projektarbeit leichter planen und umsetzen. Ein Augenmerk der Führungskräfte muss daher darauf liegen, Anforderungsänderungen nur zuzulassen, wenn diese unverzichtbar sind. Projektarbeit ist risikobehaftet – es gilt, sich dessen bewusst zu sein und Risiken systematisch zu handhaben. Dies alles soll mit den besten verfügbaren Ressourcen erreicht werden.
Erfahrene Projektmanager*innen wissen, dass die drei genannten Empfehlungen drei Fallen entsprechen, in die engagierte, aber in Projektarbeit unerfahrene Führungskräfte und ihr Umfeld immer wieder hineingeraten:
- Falle 1: Das Projekt mit weiteren Anforderungen entgleisen lassen
- Falle 2: Das Projekt mit dürren Ressourcen zum Austrocknen bringen
- Falle 3: Projektrisiken ignorieren oder beschönigen bis es kracht.
Change Control: Disziplinierter Umgang mit Anforderungsänderungen in Projekten
„Wenn wir schon daran arbeiten – das kann doch auch noch mit erledigt werden.“ So oder so ähnlich lauten oft die Argumente, Projekten zusätzliche oder veränderte Anforderungen aufzutragen, kostspielige Planänderungen und -verzögerungen zu veranlassen und – dies wird von den verantwortlichen Entscheidungsträgern möglicherweise am meisten unterschätzt - die Motivation und Zuversicht im Projektteam, das Projekt wirksam und erfolgreich durchführen zu können zu untergraben.
Die Versuchung, vermeintlich kleine und sinnvoll erscheinende Änderungen zu beauftragen, um ein scheinbar noch attraktiveres Endergebnis zu erzielen, ist auch für Mitglieder des Steering Committees groß, oft sind sie besonders nah mit dem Erfolg des Endergebnisses verbunden. Die Balance zu finden zwischen Änderungen, die lebenswichtig für den (Markt-) Erfolg eines Produktes sind, und Änderungen, die Motivation sowie Projektziele und -ergebnis erodieren lassen, kann schwierig sein.
Vom Bau des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) wird behauptet, dass ein Problem das Zulassen von unzählig vielen auch späten und gravierenden Änderungen war.
Eine gute Führungskraft muss also ein wachsames Auge auf das Änderungsmanagement in den Projekten, für deren Steuerung sie verantwortlich ist, haben.
Staffing: Gute Ausstattung der Projekte mit Personal
Projekte sollen die Organisation weiter bringen, taktisch und/oder strategisch. Die besten Personen sollten daran arbeiten – doch wie sieht es in der Praxis damit aus? Wer im Projekt arbeitet, kann nicht gleichzeitig in der Linie an der Stelle arbeiten, wo er oder sie zuvor tätig war – gerne werden von den in der Linie verantwortlichen Entscheidungsträgern daher Personen ins Projekt abgestellt, die ihnen aus irgendeinem Grund entbehrlich erscheinen. Das sind meist nicht die besten Mitarbeitenden. Alternativ werden die besten Mitarbeiter für Projekte ausgewählt, müssen jedoch parallel ihre Linienaufgaben weiterführen, was meistens zu einer reduzierten Leistung in beiden Bereichen führt.
Solche Entscheidungen der Führungskräfte können rasch zu einem kritischen Punkt für den Erfolg eines Projekts werden. Es ist daher entscheidend, dass Projektentscheidungsträger auf eine angemessene Ressourcenausstattung der Projekte bestehen und dies auch von ihren Kollegen einfordern.
No risk no fun: Systematisches Risikomanagement
Projekte sind einmalige Vorhaben, bei denen besondere Risiken eingegangen werden. . Es ist entscheidend, sich dieser Risiken bewusst zu sein, entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen und verantwortungsvoll zu handeln, wenn Risiken eintreten. Hierfür ist ein systematisches Risikomanagement unerlässlich.
„Von Risiken wollen wir nichts hören“ – mit dieser Aussage eines Steuerungsgremiums wurde die Autorin schon einmal konfrontiert. Über die Professionalität dieser Führungskräfte gibt es nichts weiter zu sagen.
Ein anderes Problem tritt ein, wenn eine hohe Führungskraft über die Risiken eines Vorhabens, das sie ins Leben gerufen hat, in „vorauseilendem Gehorsam“ nicht informiert wird, und alle gemeinsam die Organisation in existentielle Probleme bringen, weil eine ehrliche und systematische Kommunikation zu den Risiken nicht stattgefunden hat.
Verantwortungsbewusste Projekt-Entscheidungsträger fordern systematisches Risikomanagement ein, auch wenn es unangenehme Wahrheiten auf den Tisch bringt.
Wie kann man Entscheidungsträger „schulen“
Führungskräfte, die wenig Erfahrungen mit Projektarbeit haben, oder die zum ersten Mal in ein Steering Committee berufen sind, haben für die Arbeit in dem Projekt-Entscheidungsgremium Entwicklungsbedarf. In Organisationen, die eine Vielzahl von Projekten managen, besteht ein klarer Entwicklungsbedarf an qualifizierten Entscheidungsträgern für solche Gremien.
Bewusst nennen wir diesen Bedarf „Entwicklungsbedarf“ und nicht „Schulungsbedarf“ – denn das Wort „Schulung“ ist in diesem Zusammenhang problematisch. Die Assoziation mit einem Klassenraum, in dem man Inhalte präsentiert bekommt, die man gar nicht oder nur teilweise als Bedarf für sich sieht, schon gar nicht in dem Zeitumfang, den sie in Anspruch nehmen, ist sofort da. Führungskräfte sind zeitlich sehr eingespannt, und können nur ein begrenztes oft sehr individuell unterschiedliches Zeitbudget für Weiterbildung aufbringen. Diese muss dann sehr gezielt und auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten erfolgen.
In manchen Fällen kann ein standardisiertes Schulungsprogramm passen. Ein Beispiel hierfür ist ein Programm der SBB, bei dem alle potenziellen Mitglieder von Steering Committees eine halbtägige, interaktive Schulung durchlaufen haben, die das Verständnis für die Zusammenarbeit in solchen Gremien gefördert hat.
Auch die Situation des Kick-off für ein Steering Committee kann ein guter Zeitpunkt für eine ausgedehntere Sitzung mit Information und Austausch zu Rollen und Veranwortlichkeiten, Do’s und Dont’s in der Arbeit eines Steering Committees sein, die als sinnstiftend von allen Führungskräften empfunden wird, weil ein gemeinsames Verständnis ebenso gestärkt wird wie das Know-How der Mitglieder, die noch weniger erfahren sind.
Offiziell angebotenes und auch subtiles Coaching, Angebote von Informationen wie auch Austausch in vertraulichem geschütztem Umfeld und „auf Augenhöhe“ können weitere Angebote sein, die eine Organisation ihren Führungskräften dazu machen kann, die individuellen Bedarf decken können. Auch die Projektmanagement-Gesellschaften machen über ihre Expert*innen Angebote in diesem Themenfeld.
Was den Unterschied macht: Wertschätzung der Arbeit im Steering Committee
Wie auch immer eine Organisation ihre Entscheider in Projekten zu guten Projekt-verantwortlichen entwickelt, den Unterschied für die Projektarbeit macht es, wenn die Führungskräfte ihre Arbeit im Steering Committee ernst nehmen und Wertschätzung für diese Arbeit erfahren.
Sie müssen die typischen „Fallstricke“, die wir oben erörtert haben, kennen und die Organisation mit allen Beteiligten im Umfeld davon abhalten, hineinzutappen. Dies kann zusätzliche Abstimmungen mit Kollegen erfordern, da die Steuerungsarbeit in Projekten nicht ausschließlich während der Sitzungen des Lenkungsausschusses stattfindet.
Sie müssen sich so einsetzen, dass das Schiff auf Kurs bleibt, Unwetter umfahren werden, das Schiff bei rauer See nicht untergeht. Im Ernstfall müssen alle Mitreisenden gerettet werden, und die Führungskräfte müssen das Schiff als letzte verlassen. Mitreisende spüren es, wenn dieses Verantwortungsbewusstsein vorhanden ist und gelebt wird.
Ein solches Verantwortungsbewusstsein kann durch klassische Schulungen nicht erreicht werden. Was aber Schulungsbausteine gleich welcher Art leisten können, sind Denkanstöße zu projekttypischen Herausforderungen, für deren Bewältigung die Entscheidungsträger die Verantwortung tragen.
Die sehr heterogene Gruppe der Entscheidungsträger wirksam zu erreichen, ist für die Community des Projektmanagement, zu der wir gehören, ebenso schwierig wie „lebenswichtig“ für die Projektarbeit. An dieser Schnittstelle zwischen Projekt und Senior Management arbeitet die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ der drei deutschsprachigen Projektmanagement-Gesellschaften GPM, pma und spm seit über zehn Jahren. Seminarangebote, Workshop-Serien und individuelle Beratungsangebote von Mitgliedern gehören zum Angebot. Die Fachgruppe ist aktuell mit der GPM im Gespräch, ein regelmäßiges zielgruppengerechtes Angebot für Entscheidungsträger zu entwickeln.
An dieser Stelle sei allen Fachgruppen-Mitgliedern, die seit an Antworten zu dieser Frage mitgewirkt haben, ein herzlicher Dank ausgesprochen.
Quellen:
Hunziker, Thomas; Bachmann, Thomas: Mehr PM Know-how für den Lenkungsausschuss., https://www.projektmagazin.de/artikel/mehr-pm-know-how-fuer-den-lenkungsausschuss_1101675, Projektmagazin 14/2015.
James, V.; Rosenhead, R.; Taylor, P.: Strategies for Project Sponsorship, Management Concepts Press, Tysons Corner 2013.
Komus, A.; Heupel, T.: Ergebnisbericht: Erfolgsfaktoren im Projektmanagement - eine evidenzbasierte Studie. Erhältlich unter: www.erfolgsfaktoren-projektmanagement.de, Koblenz 2015.
The Standish Group: Chaos Manifesto 2012: The Year of the Executive Sponsor. The Standish Group, 2012.