Das verschenkte Potential Boardroom

Seit Jahrzehnten bemühen wir uns mittlerweile Projektmanagement zu professionalisieren. Hunderttausende Projektleiter:innen wurden weltweit ausgebildet, geschult, zertifiziert und ausgezeichnet. Große Vereinigungen bemühen sich die PM-Community zu betreuen, den Austausch zwischen den Projektleiter:innen zu fördern, Forschung zu betreiben, zu publizieren und damit letztendlich die Erfolgsaussichten für Projekte zu steigen.

Doch an der Gruppe der Projektauftraggeber:innen gehen all diese Bemühungen bisher anscheinend weitgehend vorüber. Obwohl mittlerweile die Wichtigkeit der Rolle guter Projektauftraggeber:innen und Lenkungsausschusmitglieder bewiesen ist, werden diese Rollenträger:innen bei den Bemühungen den Reifegrad des PM in Organisationen zu steigern meistens außen vor gelassen.

Ganz viele Organisationen könnten aber beträchtliche Fortschritte machen und damit die Erfolgsaussichten ihrer Projekte deutlich steigern, wenn sie die PM-Governance-Performance ihrer Führungskräfte verbessern könnten. Solche Führungskräfte müssen dabei keine Projektmanager:innen Skills erlernen, aber sie müssen das strategische Management-Tool „Projekt“ besser kennen und einsetzen lernen. Projekte können effiziente Werkzeug zur Erreichung von Managementzielen sein, wenn, ja wenn sie richtig eingesetzt und betrieben werden und wenn die Rahmenbedingungen richtig gestaltet werden. Und genau dafür sind Manager:innen doch eigentlich verantwortlich.

Doch in der Realität werden viel lieber Projektleiter:innen in irgendwelche Schulungen geschickt, als dass sich Führungskräfte selber die Arbeit machen ihr Know-how was Projekte betrifft zu verbessern und genug Zeit und Arbeit in die Gestaltung der Rahmenbedingungen einer produktiven PM Governance zu stecken.

Aber gerade da steckt das Verbesserungspotential für die nächsten ein oder zwei Dekaden! Keine Organisation kann es sich mehr leisten nicht erfolgreiche Projekte abzuwickeln. Und solche Projekte gibt es immer noch fast überall und erschreckend häufig (siehe z.B. die regelmäßigen Chaosreports der Standish Group). Und auch die Gründe für permanente Fehlschläge sind mittlerweile hinreichend erforscht. Ganz prominent ist dabei z.B. immer der fehlende Managementsupport zu finden. Und wer kennt nicht Verantwortliche die Entscheidungen ewig verschleppten, Projekte von vorneherein nur mangelhaft mit Ressourcen ausstatten, im Krisenfall schlecht erreichbar sind oder lieber Fingerpointing betreiben statt Lösung für Problem zu suchen.

Selbst in internationalen Normungsgremien wie der ISO ist dieses Thema schon länger angekommen. Seit 2017 existiert mit der ISO 21505 eine PM Governance Norm, nur kaum eine Führungskraft hat bisher davon Notiz genommen.

Organisation die hier investieren bzw. schon investiert haben - es gibt durchaus einige Best Practice Beispiele - werden Wettbewerbsvorteile realisieren können, gerade in einem mittlerweile weltweit hoch kompetitiven Umfeld.

Nur muss das Management vorher über seinen eigenen Schatten springen und den „2cool4school“ Gedanken beiseite schieben, um sich selbst und damit ihre Organisationen auf den Weg zum nächsten Level des PM Reifegrades zu machen.

Projekte sind neuartige, risikoreiche, komplexe, interdisziplinäre Vorhaben und Studien zeigen seit vielen Jahren immer wieder mit welchen Problemen (out of time, out of scope, out of budget) bei ganz vielen dieser Vorhaben in der Praxis zu rechnen ist. Z.B ist nur eine Minderheit der IT-Projekten wirklich richtig erfolgreich. Es wird also schön langsam Zeit sich darüber Gedanken zu machen Projektmanagement breiter zu denken, auch Rollenträger außerhalb der Projektteams in die Pflicht zu nehmen, auch die Projektvor- und die Projektnachphase stärker in den Fokus zu nehmen, um wirklichen langfristigen Nutzen zu kreieren. Schlagworte sind hier auch Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility oder Resilienz. Das wird aber nur gelingen, wenn das Management seine Verantwortlichkeiten und Möglichkeiten zur aktiven Gestaltung eines möglichst produktiven Rahmes für Projekte auch wirklich wahrnimmt. Denn Projekte sind ja nicht Selbstzweck, sondern eigentlich Werkzeuge des Managements, um Ziele zu erreichen. Der beste Nagel wird wenig Halt bringen können, wenn er nicht mit dem richtigen Hammer eingeschlagen wird.