Was macht einen kompetenten Projektauftraggeber aus?

Was macht einen guten Kapitän aus? Jede oder jeder von uns hat sofort etwas im Kopf: Der Kapitän trägt die Gesamtverantwortung, er greift dabei nicht dem Steuermann ins Steuer, er verlässt das sinkende Schiff als letzter und sorgt dafür, dass auch gehandicapte Personen auf Rettungsboote gelangen, er kann Trauungen vornehmen, …

Was macht einen guten Projektauftraggeber oder Projektauftraggeberin aus? Diese Aufgabe ist weniger bekannt, weniger greifbar. Und es ist auch oft für eine Person eine unter vielen anderen Aufgaben, muss sozusagen nebenher erledigt werden – dabei ist die Bedeutung eines guten Projektauftraggebers für den Erfolg der Projektarbeit unumstritten.

Die Global Alliance for the Project Professions (GAPPS), ein freiwilliger ehrenamtlich tätiger Zusammenschluss von Projektmanagement-Expertinnen und -Experten aus Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Wissenschaft, hat sich dazu Gedanken gemacht und ein „Guiding Framework for Project Sponsors“ herausgegeben, in 2015 erarbeitet und 2017 zuletzt geändert. Es kann kostenfrei heruntergeladen werden.

Im Folgenden werfen wir einen Blick in das Framework und erläutern die wichtigsten Aussagen über benötigte Kompetenzen in dieser Rolle.

Die führenden Experten definieren drei Aufgabenbereiche, in denen sich die Kompetenz eines Projektauftraggebers oder Projektauftraggeberin (im Dokument auf Englisch: Sponsor) zeigt, wie in der folgenden Abbildung dargestellt:

GAPPS Sponsor Framework - Kompetenzbereiche

Abb. 1: Drei Kompetenzbereiche für Projektauftraggeber*innen lt. GAPPS mit jeweiligen Elementen (eigene Darstellung, eigene Übersetzung)

 

Der Gedanke dieses wie weiterer „globaler“ Frameworks, die von GAPPS erarbeitet worden sind, ist, die Entwicklung und Anerkennung von lokalen Standards zu unterstützen und als Grundlage für Einschätzung und Entwicklung von Kompetenzen zu dienen. Die bei GAPPS engagierten Expertinnen und Experten sprechen von „performance based competency standards“. Damit meinen sie, dass sich die Kompetenz zeigt in angemessenem Einsatz von Fähigkeiten, die bestimmten Kriterien genügen, sowie darin, dass messbar Ergebnisse erzielt werden. „Performance based competency“ steht im Gegensatz zu „attribute based competency“, bei der bestimmtes Wissen, Fähigkeiten, Werte, Haltungen o.ä. bei einer Person bewertet werden.

Damit definiert das Framework der GAPPS einen Sollzustand, und auch für ein Assessment der Kompetenz eines Projektauftraggebers darf und soll das Framework als Unterstützung dienen. Es sind für jeden der Kompetenzbereiche Elemente definiert, aus denen dieser besteht, und Leistungskriterien, an denen sich eine gute Kompetenz und Performance eines Projektauftraggebers oder einer Projektauftraggeberin zeigt.

So besteht der Bereich „Letzt-Verantwortung übernehmen für das Projekt“ aus drei Elementen, mit insgesamt zehn Performance-Kriterien:

GAPPS Sponsor Framework - Kompetenzbereich 1

Abb2: Leistungskriterien zum Kompetenzbereich „Letzt-Verantwortung übernehmen für das Projekt“ (eigene Darstellung, eigene Übersetzung)

 

Erfahrene Projektmanager und Projektmanagerinnen wissen, an welchen Leistungskriterien es in der Praxis immer wieder „hakt“: realistische Business Cases sind notwendig, aber fehlen gelegentlich. Projekt Governance im Sinne von Befugnissen und Regelungen zur Entscheidungsfindung ist nicht definiert oder nicht kommuniziert – oder wird nicht gelegt. Gelegentlich ist sie auch disfunktional definiert. Die Kommunikation und Akzeptanz bei den Stakeholdern ist ebenfalls ein kritischer Punkt, der bei den Leistungskriterien der GAPPS angesprochen wird.

Für den zweiten Bereich sind acht Leistungskriterien festgelegt:

GAPPS Sponsor Framework - Kompetenzbereich 2

Abb. 3: Leistungskriterien zum Kompetenzbereich „Das Projektmanagement unterstützen“ (eigene Darstellung, eigene Übersetzung)

 

Es ist darauf hinzuweisen, dass hier mit Projektmanagement in erster Linie die Person oder Personen gemeint sind, die das Projektmanagement ausüben, oft in der Hierarchie einer Organisation nicht mit disziplinarischen Weisungsbefugnissen ausgestattet. Damit diese Konstruktion von Führung gelingen kann, bedarf der Projektmanager oder die Projektmanagerin der ausdrücklichen Unterstützung der Führungskräfte in dieser Rolle, was sich in den genannten Leistungskriterien widerspiegelt.

Das Einhalten von Zusagen, der zeitnahe Austausch von Informationen und Bedarfen, Unterstützung beim Konfliktmanagement sowie eine gute Feedback-Kultur sind hier wesentliche Beiträge, in denen sich die Unterstützung durch den Projektauftraggeber oder Projektauftraggeberin zeigt, sowohl im Verhältnis zwischen Führungskraft und Projektmanagement wie auch vor dem Projektteam.

Im dritten Bereich gibt es sechzehn Leistungskriterien:

GAPPS Sponsor Framework - Kompetenzbereich 3

Abb4: Leistungskriterien zum Kompetenzbereich „Das Projekt unterstützen“ (eigene Darstellung, eigene Übersetzung)

 

Auch in diesem Kompetenzbereich finden erfahrene Projektmanager und Projektmanagerinnen kritische Aspekte, die in der Praxis „den Unterschied machen“. Projekten mangelt es oft an durchgängig zur Verfügung stehenden Ressourcen oder an Stakeholder Commitment. Wie hier Führungskräfte in Projektauftraggeber-Rolle agieren sollten, bringen die Leistungskriterien deutlich auf den Punkt. Auch das zeitnahe Treffen von Entscheidungen wird thematisiert, genauso wie das Projektteam gefordert ist, für Reviews zur Verfügung zu stehen.

Insgesamt sind die typischen Aufgaben, an denen sich zeigt, wie kompetent Projektauftraggeber*innen ihre  Rolle wahrnehmen, wie gut er oder sie sie ausfüllt, in dem hier beschriebenen GAPPS-Framework in sehr kompakter und treffender Form zusammengefasst – mir ist kein Dokument bekannt, wo dies in so prägnanter Form zusammengefasst ist. Das Dokument halte ich daher für eine sehr empfehlenswerte Lektüre für angehende und ausübende Sponsoren und deren Berater sowie Organisationen, die ihr Projektmanagement gerade an dieser einflussreichen Stelle verbessern wollen.