Und Projekte in der agilen Welt?

Der Projektleiter wurde in der Literatur zu agilen Methoden ziemlich konsequent eliminiert (siehe hier). Dem Projekt erging es etwas besser. Es hat sich zumindest gehalten, wird aber häufig eher versteckt und stiefmütterlich behandelt. Der Scrum Guide von Ken Schwaber and Jeff Sutherland vergleicht beispielsweise ein Projekt mit einem Sprint. Deutlich mehr Informationen findet man dazu, wie man von einer Projektorientierung zu einer Produktorientierung kommt. Das ist für das agile Vorgehen natürlich wichtig, trifft aber den Kern der Projekte nicht. Was macht beispielsweise eine Bank, welche ihre (oder eines ihrer) Sparprodukte ausbauen und promoten möchte?

Gemäss IPMA ist „ein Projekt ein einmaliges, zeitlich befristetes, interdisziplinäres, organisiertes Vorhaben, um festgelegte Arbeitsergebnisse im Rahmen vorab definierter Anforderungen und Rahmenbedingungen zu erzielen.“ Was diese Definition nicht beinhaltet, aber in der Praxis häufig die grösste Herausforderung darstellt, ist die Bündelung oder Konzentration der Ressourcen für so ein Projekt. Und genau das wird auch die Bank machen, denn andernfalls wird die Promotion der Sparprodukte eher ein Promotiönchen sein und kaum auffallen.

Eine Möglichkeit einem Projekt Ressourcen zur Verfügung zu stellen ist entsprechend zusätzliche (externe) Ressourcen bereitzustellen. Diese müssen definiert, beschafft und eingeplant werden. Wenn diese sich dazu noch über mehrere, agile Teams verteilen, dann will auch das abgestimmt werden. Die Einsatzzeiträume sollen dabei aus Kostengründen natürlich minimal sein. Als Konsequenz muss die Arbeit dann erledigt werden, wenn die Ressourcen eingeplant sind. Alles in allem ist man dann schon wieder recht nahe bei der klassischen Projektplanung.

Eine weitere Möglichkeit wäre das Projekt zur Promotion der Sparprodukte in das nächste Program Increment Planning einzubringen. Die agilen Frameworks kennen dazu Ansätze und Vorgehensweisen um solche Vorhaben zu priorisieren und ihnen damit im Rahmen der regulären Weiterentwicklung entsprechend Gewicht zu verleihen. Wenn aber unser Sparprodukte-Vorhaben nicht zu den Top 5 im Unternehmen gehört, dann besteht schon wieder die Gefahr, dass eines der agilen Teams eben mit den Top 5-Projekten vollständig ausgelastet ist, und unser Vorhaben in diesem Team es nicht in die Planung der Sprints schafft. Damit verzögert sich unser Projekt entsprechend. Umso ärgerlicher ist das insbesondere dann, wenn es nur einen kleinen Beitrag dieses ausgelasteten Teams braucht. Kleinere Blockaden lassen sich häufig schon im Program Increment Planning auflösen, indem beispielsweise das Team, welches den Engpass verursacht, einzelne weniger wichtige Features eines höher priorisierten Projektes in das nächste Program Increment verschiebt. Und die agilen Frameworks kennen auch Rollen wie Agile Product Manager oder Solution Manager, deren Aufgabe es unter anderem auch ist die Hürden bei der Realisierung von Projekten aus dem Weg zu räumen.

Eine schwierige Frage stellt sich allerdings bei diesem Vorgehen. Wie weit gehe ich mit dieser Optimierung? Denn erstens kostet auch die Optimierung Aufwand, sie macht sich ja nicht von alleine. Und zweitens nehme ich mit einer übergreifenden Detailplanung den agilen Teams umfangreiche Entscheidungsfreiheiten. Am Ende resultiert dann wieder die klassische Multiprojektplanung. Und insbesondere ein Problem lässt sich damit natürlich auch nicht lösen. Wenn die Ressourcen einfach überlastet sind, dann kann auch die beste Koordination und Vorgehensoptimierung keine Abhilfe schaffen. Das wird einfach nicht aufgehen. Weder in der klassischen, noch in der agilen Welt.

 

Dieser Artikel erschein bereits am 22.6.2021 auf LinkedIn.